Erfahrungen mit Jakob Lorber und der Neuoffenbarung von Simon E.


Wie kommt man dazu, einen solchen Text über die Neuoffenbarung von Jakob Lorber zu verfassen? Über die Neuoffenbarung wird im Internet viel geschrieben. Als ehemalige Anhängerin dieser Strömung fällt mir jedoch auf, dass einige Aspekte versehentlich oder gewollt ausgelassen werden. In diesem Sinne hoffe ich einen kleinen Beitrag zu einer vollständigeren Darstellung der Neuoffenbarung von Jakob Lorber leisten zu können. Ziel ist es daher nicht, Lorberfreunde für ihren Glauben an die Neuoffenbarung zu kritisieren oder gar zu verurteilen, sondern ihnen zu helfen, von der Neuoffenbarung loszukommen. Dazu muss man verstehen, in welcher Situation sich viele Lorberfreunde befinden. Um die Wirkung der Neuoffenbarung auf ihre Anhänger zu verdeutlichen, zitiere ich zunächst Passagen aus einem Interview, das Frau Dr. Daxner mit einem ehemaligen Lorberanhänger aus Österreich führte (Unebenheiten der gesprochenen Sprache wurden belassen; Quelle: Daxner, Andrea: Wi(e)der die Wahrheit. Neuoffenbarungen am Beispiel der Lorber-Bewegung - Eine Herausforderung für Seelsorge, Beratung und Forschung. Dissertation katholische Theologie, Wien 2003, S. 338-347)

 

Inhalt:



Wie Simon S. mit Lorbers Schriften in Berührung kam
Einflüsse der Neuoffenbarung
Der Loslösungsprozess
Erinnerungen
Empfehlungen


 

Wie Simon S. mit Lorbers Schriften in Berührung kam



»Also wie ich zu diesen Schriften Lorbers gekommen bin: Ich bin damit aufgewachsen, weil meine Mutter diese Bücher besessen hat (...) sobald ich selber im Stande war, das halbwegs zu lesen (...) haben wir uns abwechselnd daraus vorgelesen (...) das andere war, dass ich ab meinem 12. Lebensjahr in etwa zu so einem religiösen Kreis dazu gekommen bin, wo meine Mutter irgendwo dabei war, das waren Leute, die sich einmal in der Woche getroffen haben (...) aus Lorber gelesen haben (...) Und die haben das dann interpretiert. (...) Es war nicht sehr lebendig. Andererseits haben diese Schriften und der Inhalt doch einen starken Einfluss auf mich gehabt und haben mein Denken sehr geprägt. Die Bilder, die drinnen vorkommen, über die Entstehung der Welt und was die Welt ist, und dass wir alle Splitter Satans sind, die halt zurückkehren müssen ins göttliche Vaterhaus und dergleichen. Das hat eigentlich mein Denken sehr geprägt unterschwellig, und dagegen hab ich mich sicher nicht aufgelehnt. Das war für mich irgendwie klar: Das ist so. (...) ich hab das halt dann zur Kenntnis genommen, wie das halt so ist. Und hab also doch in der Summe ziemlich viel gelesen.«

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Einflüsse der Neuoffenbarung



»Mein Leben hat es insoweit beeinflusst als ich einen gewissen Standpunkt erlernt habe dadurch, nämlich den, dass ich mehr weiß als die anderen, dass ich über das Geheimnis der Welt mehr weiß, dass ich es anderen Leuten aber gar nicht sagen darf, weil die sind sozusagen nicht reif dafür und würden das gar nicht verstehen und das ist nur für Eingeweihte zugänglich.

Ich weiß noch, (...) bei einer Angehörigen dieses Hauskreises (...) die hat da ein paar Bücher liegen gehabt von Lanz von Liebenfels (Anm.: Vordenker des Holocaust und Bewunderer Lorbers). Und die hat gesagt: Du, komisch, der --- hat doch aus dem zitiert. (...) Es gibt es ja nicht, dass der uns Lorber usw. nahe bringt und auf der anderen Seite auch jemand zitiert in diesen religiösen Versammlungen, der dem Hitler so nahe steht und als ideologischer Impulsgeber da gedient hat. - Also da waren Unstimmigkeiten, aber die wurden einfach weggedrängt. Das ist mir aber erst viel später aufgefallen, dass das ja überhaupt nicht zusammengehen kann mit der "wahren, reinen Lehre". Ja, und dann gab es noch, da hat er dieses Gedankengut vertreten, den Juden wurde das Wort weg genommen, weil sie Jesus gekreuzigt haben und ihn nicht erkannt haben und dafür wurde es den Deutschen gegeben. (...)

Der Einfluss auf mein Leben ist sicher die Haltung: Ich weiß mehr als die anderen. Ich weiß was Besonderes oder ich bin was Besonderes dadurch. Und das kann man gar nicht nach außen kommunizieren, eigentlich musst du es geheim halten. (...) Diskutieren kann man darüber eh nicht. Das hat es auch von meinem Elternhaus, also von meiner Mutter aus geheißen, weil: Wer es nicht annimmt, ist eh blind und doof und der nimmt es eh nicht an. Kann man nichts machen. Ist halt dumm. Kennt die wahre Lehre nicht. Man muss sich fern halten von solchen Leuten. - Ahm - und - es hat auch, ich glaub, dass auch das dazu beigetragen hat, dass mein ganzes Leben doch immer wieder eine starke Distanz da war zu anderen Menschen.«

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Der Loslösungsprozess



»Ja - also, ich hab einen sehr schmerzhaften Loslösungsprozess von diesem ganzen Themenkomplex durchgelebt (...) ich war in den letzten Zügen meines Studiums und hab gleichzeitig sehr viel gearbeitet. (...) Ich war schon angezogen, bin in die Garderobe und hab mir die Schuhe angezogen, da sagt meine Mutter: Was, du gehst jetzt weg? Jetzt kommen doch die Leute. Ich sagte ihr, dass ich jetzt Dienst hab. Ihre Reaktion war: Aha, also irgendwo herumzuspielen ist dir also wichtiger als die wahre Lehre. Sie war fuchsteufelswild und dann bin ich auch wütend geworden und hab gesagt: Zum Geier. Ich hab Dienst. Und ich geh jetzt. Sie hat mich bös angeschaut und sich umgedreht und ist gegangen. Am nächsten Tag war drückendes Schweigen im Hause und meine Mutter hat mir eröffnet im Laufe des Vormittags: Ja, du hast ganz klar gezeigt, auf welcher Seite du stehst, nämlich auf der Seite der Welt. Ich glaube, dass für dich in diesem Haus kein Platz mehr ist. (...) Brauchst dich gar nicht zu rechtfertigen und schau, dass du eine Wohnung findest und pack deine Sachen. Das war wirklich so.

(...) ich hab diese Bücher immer mitgenommen, gelegentlich rein geschaut, mich nicht wohl gefühlt. Aber: Es ist ja die wahre Lehre! Und es war der Zwang auch da, es muss was dran sein. Und wenn ich es nicht versteh, dann versteh ich es halt einfach bloß noch nicht und muss mich mehr darauf einlassen (...) wirklich gebrochen worden ist das durch meine jetzige Frau. Dadurch, dass sie mir kompetente Argumente sagen konnte und ich andere Argumente hören konnte als bisher, konnte ich es ein bisschen entwirren (...). Erst durch sie ist mir klar geworden, wie sehr Angst in dem Ganzen drinnen war und wie viel Lähmung in der sogenannten wahren Lehre transportiert worden ist. Und dann hab ich auch andere Bücher in die Hand gekriegt als die, die ich bisher gelesen hab (...). Dann wurden auch viele Querverbindungen klar und hab sie sehen können (...) wie menschenverachtend das zum Teil auch ist und wie sich da eine Art süßliche Pseudoreligiosität mit einem Bemühen um wahres Menschsein, das ja durchaus ehrlich gemeint ist, mischt und wie verkorkst das ganze eigentlich ist. Über mehrere Etappen wurde mir das eigentlich klar. Und ich bin immer wieder zwischen diesen Klarheitsblitzen zurückgefallen in den alten Sumpf: Ja, das ist doch die wahre Lehre, da steht doch das wahre drin. Das waren gedanklich echt Schlachten, die sich da abgespielt haben, nicht nur im Kopf, auch im Bauch und im Herzen. Und das ging bis dahin, dass es für mich oft so ausgesehen hat, dass meine Frau der Feind wär, und die müsste ich von mir wegstoßen und dann wäre mein Seelenheil gerettet. Und wenn ich meine Frau liebe, dann wäre das der Untergang, der totale und zwar für die Ewigkeit. Und das waren ganz starke, für mich ganz reale Ängste.«

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Erinnerungen



»ich weiß noch, dass ein Religionslehrer das Kapitel Gnosis im Programm hatte und mir ist damals schon aufgefallen, dass das, was die Gnostiker sagen mit dem, was ich bei mir zu Hause gehört und gelernt hab, übereinstimmt. (...) der hat das Falsche der Gnosis aufgelistet. Ich hab meine Ohren zugemacht und mir gedacht: na, so falsch ist das nicht. Oder: Die haben es vielleicht falsch, aber was im Lorber steht, ist dann schon richtig. (...) das ist ein komplettes Gedankengebäude, wenn man das dann inhaliert hat und sich irgendwie drinnen auskennt, dann hat man eh schon viel gewonnen. (...) das Widersprüchliche ist, dass an vielen anderen Stellen da steht: Ihr müsst gar nichts wissen (...). Ich kann mir schon vorstellen, dass jemand, der Lorber ließt, auch auf gute Gedanken kommen kann, aber er muss sich durch diesen altbackenen Wust durchkämpfen und durch all diese Drohungen auch, diese versteckten, die hinter der Süßlichkeit verborgen sind. Und die kriegst du einfach mit. Und damit wird eine allfällig segensreiche, gute Botschaft automatisch vergiftet und entwertet, so würde ich das sagen. Der Unterschied zur Amtskirche sollte einfach sein, dass das ein innerliches und wahres Christentum ist. Und obwohl auf 20.000 Seiten das ausgebreitet wird, ist mir bis heute nicht klar, warum das wahrhafter sein soll, als das was in der nackerten Bibel, wie wir sie kennen eh schon drinnen steht.

(...) wo jemand das nicht tut - also die Lehre liest, sie aber von sich weist, hat er damit auf jeden Fall eine schwere Sünde begangen und muss es sich dann selber zuschreiben, dass er dem Untergang anheim fällt. Eine Prophezeiung, die mich mein Leben lang bis in die jüngste Vergangenheit verfolgt hat. Weil für mich klar war: Jetzt bin ich von dieser Lehre abgefallen und ich falle immer mehr davon ab. Und die Rache Gottes wird mich schon schnell einholen sozusagen. Nicht die Rache Gottes, aber ich werde mich quasi selbst automatisch bestrafen dadurch, dass ich diese wahre Lehre so missachtend mit den Füßen trete und auch noch schlecht darüber spreche. Das ist mir lange Zeit sehr schwer gefallen, ein kritisches Wort darüber zu sagen«

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Empfehlungen



Interviewerin: »Mich hätte noch interessiert, was die Kirche lernen kann, aus seinen Schriften.«

»Ja, da kann sie was lernen (...) Der Lorber schreibt ja mit größter Überzeugung, er schreibt ja nicht einmal in der Ich-Form. Es heißt immer, wenn es "Ich" heißt, dann spricht Jesus oder Gott, das heißt Gott spricht. Gegen diese Autorität, die im gedruckten Wort vorliegende Autorität gibt es für viele Leute nichts zu sagen. Ich als Heranwachsender, für mich war klar: Das ist die Stimme Gottes. Das ist Gott, der da spricht. Und sich dagegen aufzulehnen, nein, undenkbar. Und ich glaube, die Kirche sollte solche Strömungen nicht unterschätzen. Ich glaube, dass es mehr Leute gibt, als man denkt, die dem anhängen, und man sollte einfach warnen davor und das irgendwie auch mehr publizieren. (...) Wir haben (im Religionsunterricht) über Sekten gesprochen. Aber vieles, was so daher kommt, bezeichnet sich ja nicht als Sekte. Für mich ist erst in allerjüngster Vergangenheit klar geworden, dass ich einer Sekte angehört habe, die ganze Zeit. Für mich war das einfach die wahre Lehre, nichts Sekte. Sekte, das sind die anderen, das sind die Mormonen und die Scientologen, die sind alle deppert, natürlich. Das war mir immer schon klar. Aber wir: Lorber-, Swedenborg-, Böhme-Anhänger, wir sind keine Sekte. Wir haben die reine Lehre. Und das muss man einfach (...) erfassen, dass Kinder in sowas drinnen hängen können und eisern den Mund halten auch und eisern ihres verteidigen, weil das ist ja das Wahre und dann ist alles andere der Feind. Dieser Problematik müsste man ganz bewusst oder bewusster entgegentreten. (...)«

Interviewerin: »Kannst du das noch ein bissl präzisieren, warum die Kirche warnen sollte?«

»Weil das so was Unterschwelliges ist. Weil das so durch die Hintertür herein schleicht, also namentlich wenn es Kinder betrifft. Die wachsen damit auf. Für die ist das die Welt. Das ist ihre Realität. Und dieser Realität muss eine andere Realität entgegengesetzt werden. Und da muss der Religionslehrer sehr wachsam sein auf das, was da an Wortmeldungen kommt oder auch was da an Schweigen kommt (...).«

Interviewerin: »Was ist gefährdend daran?«

»Die Vergiftung des Denkens. Einfach, dass das Denken imprägniert wird durch diese Vorstellungen, diese abstrusen (...). Es ist dieses Gehirnwäschemäßige. Jahrelang dasselbe und dann wird es halt deine Realität. Das ist gefährlich. Und ich hab’s an mir selber erlebt.«

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