Rettungsversuche duch Jakob Lorber
Kritiker werden in der Neuoffenbarung gerne als Esel bezeichnet, für die die Neuoffenbarung extra so geschrieben ist, dass sie Anstoß erregt (vgl. Erde und Mond, Kapitel 74, Vers 3f). Und überhaupt solle man laut Neuoffenbarung den Weltverstand ausschalten und mit dem Herzen lesen (vgl. Haushaltung Gottes, Band 1, Vorrede des Herrn; Himmelsgaben, Band 1, vom 21.8.1840 Vers 1 und vom 17.7.1840 Vers 4-7; Die Fliege, Kapitel 12, Vers 18; Großes Evangelium Johannes, Band 3, Kapitel 196, Vers 8; etc.). Doch trotz aller Bemühungen, das Denken wie gefordert einzustellen (vgl. "Naturzeugnisse", Teil "Südpol" vom 16. Oktober 1840, Verse 3-4), stolpert man immer wieder über den Text. Die Widersprüche zwischen der "Jugend Jesu" und der "Dreitagsscene" (Drei Tage im Tempel, mehr unter "... und Widersprüche") beispielsweise fielen selbst dem Verleger Johannes Busch auf. In einem Brief an den Herausgeber vom 11. November 1860 erklärt nun Jakob Lorber diese Widersprüche:
»Liebenswerthester Freund und Bruder im Herrn!
Ihre beiden werthen Briefe hätte ich Ihnen wohl schon früher beantwortet, wenn es dabei bloß nur auf meinen Willen ankäme; aber da ich nur dann Etwas thun darf, wann es dem Herrn genehm ist, so muß ich die Zeit mit aller Geduld abwarten, wo der Herr sagt: Nun kannst du auch Dieß und Jenes thun! - Und so denn behieß mich nun der Herr in Seiner Liebe, Gnade und Erbarmung auch an Sie wiedereinmal zu schreiben; ich schreibe daher sogleich, und lege unterdessen auf einige Stunden die Arbeit am großen Werke - auf die Seite, was ich wohl nie gerne thue, besonders wenn es sich um Sachen handelt, die bei einer tieferen Geistesbeleuchtung sich leicht von selbst ganz vortrefflich berichten lassen.
Ich weiß wohl recht gut, was der Herr, als Er mir vor etwa 18 Jahren die früheren Ereignisse kundgab, ansagte, das Er mir einmal in der Gabe der Dreitagsscene kund thun werde, und über was da Alles verhandelt werden würde. - Aber - einer höchst dummen Widerlichkeit zufolge, wollte mir der Herr die Dreitagsscene eigentlich speciell gar nicht geben, und sagte zu mir: "In dem großen Werke - wirst das Alles ohnehin erhalten, was da betrifft die materielle Weltenschöpfung und ihren Verband mit der Geisterwelt im ganzen endlosen Schöpfungsraume! -" Ich mußte mich damit zufrieden stellen, und auch meinen wenigen anderen Freunden war das recht. - Nur als Sie liebster Freund stets mich ersuchten, bat ich den Herrn zu öftern Malen, daß Er mir nur in einem ganz kurzen und gedrängten Abrisse Ihretwegen die einmal versprochene Dreitagsscene geben möchte! - Und da sagte Er: "Gut denn! - So werde Ich dir nur die Hauptsache geben; alles Andere wird ausführlichst im - neuen großen Werke Meiner Liebe, Weisheit und Gnade besprochen werden! -" Und also ist es auch nun der Fall. - Wenn in der Dreitagsscene demnach Manches abgeht, was - zu geben früher verheißen ward und was hie und da vielleicht auch in anderen Schriften aus der älteren Zeit angedeutet vorkommt, so macht das nun nichts; denn es kommt das Alles, und noch um ein Millionenfaches mehr in dem bereits 278 Halbbuch-Hefte starken Werke vor. -
Was den damaligen Landpfleger Cornelius betrifft, so war er de facto geheim dennoch in Jerusalem, wenn schon angeblich Geschäfte halber in Tyrus. - Denn die hohen Römer waren kluge Leute, und versuchten oft die untergeordneten Beamten dadurch, daß sie angeblich verreisten und unterdessen ihr Amt einem Anderen zum Verwalten einräumten! - Und das war denn auch bei der Gelegenheit der Knabenprüfung in Jerusalem der Fall. - Der Römische Prüfungs-Commissar wußte nichts von der stillen Anwesenheit des Cornelius; aber Joseph wußte durch eine innere Eingebung wohl darum, und hatte sich daher im Stillen auch zu ihm verfügt, und bekam von ihm auch, um was er ansuchte. - Und so geschah es denn auch, daß Cornelius in guter Verkleidung selbst die Verhandlungen im Tempel mit anhörte, während ihn der Commissar in Tyrus wähnte, und daher offen seiner nur als eines Abwesenden erwähnen konnte. -
Wenn Sie das, was ich Ihnen nun zum größten Theile vom Herrn Selbst neuerklärt dargestellt habe, so werden werden sie in der Dreitagsscene sicher keinen Anstand mehr finden. - Die Berichtigungen der "Hülsengloben" und der "sieben Geister" finden sie in dem eingeschlossenen Blättchen. -
In aller Liebe und wahrster Freundschaft
Ihr
Freund und Bruder
im Herrn.«
Zu den grün markierten Erklärungen im Einzelnen: "Wenn in der Dreitagsscene demnach Manches abgeht, was - zu geben früher verheißen ward und was hie und da vielleicht auch in anderen Schriften aus der älteren Zeit angedeutet vorkommt, so macht das nun nichts" - natürlich kann "Jesus" die großen Erklärungen der Welt für ein späteres Werk aufheben. Aber das ist gar nicht das Problem. Nach der "Jugend Jesu" waren das die Themen Jesu im Tempel: "Und siehe, da fanden sie Jesum unter den Gelehrten sitzend, wie Er sie befragte, belehrte und ihnen auf ihre Fragen Antworten gab, daß sich darob alle höchlichst erstaunten; denn Er erklärte ihnen die geheimsten Stellen aus den Propheten, belehrte sie über die Sterne, über ihre Bahnen, über ihr Grundlicht, über ihr zweites, drittes, viertes, fünftes und sechstes und siebentes Licht. Also beschrieb Er ihnen auch das Wesen der Erden und zeigte ihnen den physischen, psychischen und geistigen Zusammenhang der Dinge – und bewies allen die Unsterblichkeit der Seele auf eine so unerhörte Art, daß darob alle sprachen: 'Wahrlich, so etwas ist noch nie erhört worden!'" (Jugend Jesu, Kapitel 298, Vers 15-19a) Von all diesen Themen redet Jesus in der "Dreitagsscene" nur über die Propheten und auch die Begeisterung der Priester und Pharisäer hält sich in Grenzen.
"Was den damaligen Landpfleger Cornelius betrifft, so war er de facto geheim dennoch in Jerusalem (...) Der Römische Prüfungs-Commissar wußte nichts von der stillen Anwesenheit des Cornelius" - dass das dem Richter nicht auffällt mag ja sein, aber "Gott" hätte es schon damals auffallen müssen, als er die Dreitagsscene diktierte. Warum fällt es ihm erst jetzt wieder ein, nachdem der Verleger über diesen Widerspruch stolpert?
"daß Cornelius in guter Verkleidung selbst die Verhandlungen im Tempel mit anhörte, während ihn der Commissar in Tyrus wähnte" - das ist schon bemerkenswert. Denn als Joseph Jesus sucht, gibt Cornelius ihm eine Wache mit und läßt ihn drei Tage lang Jerusalem durchsuchen: "Joseph gab dem ihm überaus freundlich entgegenkommenden Cornelius sogleich kund, was ihm begegnet ist, und dieser gab dem Joseph sogleich eine römische Wache, mit der Joseph alle Häuser durchsuchen durfte. Also durchstöberte Joseph nahe ganz Jerusalem und fand Jesum dennoch nirgends nach einem drei Tage langen Suchen. Da ward es den beiden überaus bange; sie gaben die Wache dem Cornelius ganz traurig zurück und ließen sich nicht trösten von ihm." (Jugend Jesu, Kapitel 298, Vers 8-11) Dabei wusste Cornelius doch genau wo Jesus war, nämlich im Tempel, in dem er angeblich auch die ganze Zeit war.
Auch andere Widersprüche klären sich dadurch nicht. In der "Jugend Jesu" kehren Joseph und Maria noch in der Nacht nach Jerusalem zurück, nachdem sie Jesus in der Herberge nicht gefunden haben. In "Drei Tage im Tempel" reisen sie eineinhalb Tage Richtung Nazareth und kommen erst nach drei Tagen wieder nach Jerusalem. Wie die heilige Familie gleichzeitig beim Richter und bei Cornelius übernachten kann (vgl. Widersprüche unter "...und Wissenschaft") erklärt "Gott" leider auch nicht. Statt dessen räumt Gott ein paar Irrtümer zu "Hülsengloben" und "Geistern" ein, die jetzt schnell "berichtigt" werden sollen.
Dass solche Rettungsversuche "Gottes" peinlich wirken, versteht sich von selbst. Dieser Rettungsversuch, obwohl angeblich von Gott selbst diktiert, wird heute von Lorberfreunden kaum noch verwendet um kritische Stellen der Neuoffenbarung zu relativieren. Stattdessen zweifelt man lieber an der Wissenschaft, an dem eigenen Textverständnis und letztlich sogar an seinem eigenen Verstand, nur um die postulierte Urheberschaft Gottes nicht in Frage stellen zu müssen. Dazu mehr im nächsten Kapitel.
Teil 1 des Briefes,
.....wie er noch in der Ausgabe ....."Drei Tage im Tempel" .....von Johannes Busch .....abgedruckt war.
Teil 2 des Briefes
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