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Erkenntnisse und Einsichten sind das Kernstück der Neuoffenbarung von Jakob Lorber. Der Mensch wird zur Besserung belehrt. Er wird eingewiesen in all die großen Geheimnisse Gottes und kann und soll dieses Wissen nutzen um daran geistlich und in der Liebe zu Gott zu wachsen. Das erklärt den Umfang und die Vielfalt innerhalb der Neuoffenbarung. Und in dieser Hinsicht wären die Neuoffenbarung der Bibel und die Kenner der Neuoffenbarung den Gelehrten der Weltweisheit tatsächlich überlegen, sofern – ja sofern auf dieses Wissen Verlass wäre.

Angenommen Gott würde uns tatsächlich in alle Geheimnisse der sichtbaren und unsichtbaren Welt einweihen – glauben wir, wir würden sie begreifen? Wir begreifen ja oft nicht einmal Einsteins gekrümmte Raumzeit oder Schrödingers Katze, obwohl das nur profane Ideen von Menschen sind. All das Wissen, das die Menschheit über Jahrtausende zusammentrug, besserte sie nicht. Es machte die Menschen autonom. Wir brauchen uns nicht mehr um Tag und Nacht zu kümmern, wir schalten einfach das Licht ein, wenn es dunkel wird. Wenn der Winter kommt, drehen wir die Heizung an und wenn wir Hunger haben, kaufen wir ein. Unser Wissen über die Welt macht uns unabhängiger von ihr, aber es sorgt leider nicht dafür, dass wir besser mit ihr umgehen. Glauben wir im Ernst, dass uns umfassendes geistliches Wissen näher zu Gott führt? Oder möchten wir dieses Wissen vor allem für uns selbst, um uns nicht mehr so klein, dumm und verloren vorzukommen in einer riesigen Welt, deren Sinn und Ziel wir sonst letztlich nicht verstehen.

Man kann sich als Kenner der Neuoffenbarung, auch wenn man das nie zugeben würde, tatsächlich für weiter, reifer und durchgeistigter halten als all die Kirchengänger, die keine Vorstellung von den materiellen, geistigen und geistlichen Zusammenhängen haben. Man kann glauben, bis in die Tiefen eingeweiht zu sein in Gottes kosmischen Plan. Es ist ein gutes Gefühl und man empfindet dann so etwas wie Liebe, oder vielleicht auch einfach Dankbarkeit dafür, mehr sein zu dürfen als ein unwissender Wurm und weiter zu sein als viele Mitmenschen. Und dann erfährt man, dass all dieses Wissen ein riesiger Irrtum war. Man hat scheinbar alles verloren. Aber man hat auch etwas gewonnen:

»Ich scheine also um dieses wenige doch weiser zu sein als er, dass ich, was ich nicht weiß, auch nicht glaube zu wissen.«

Apologie des Sokrates, Platon


Sokrates sagt also nicht, dass er nichts weiß (gängiger Übersetzungsfehler). Er hinterfragt nur, was man zu wissen meint und kommt zur Erkenntnis: "Ich weiß, dass ich nicht weiß". Gerade dieses Anerkennen der Grenzen des eigenen Wissens ist für Sokrates aber nicht nur Wissen, es ist Weisheit.

Wenn die Neuoffenbarung von Jakob Lorber nicht von Gott ist, was wissen wir dann über die geistlichen Zusammenhänge der Schöpfung, über das Jenseits, über das Leben auf anderen Weltkörpern, über den Ursprung und das Ziel allen Seins? Wenig – vielleicht gar nichts.

In der Bibel werden andere Schwerpunkte gesetzt. Aber diese Unwissenheit ist uns dann wenigstens bewusst. Es ist diese riesige Unwissenheit, die uns Menschen verbindet, und sie ist es auch, die uns von Gott abhängig macht. Ein Kind muss nicht alles wissen, solange der Vater, der das Kind führt, den Weg kennt. Ein Kind vertraut seinen Eltern, auch wenn es nicht alle Entscheidungen versteht. Ein Problem entsteht erst, wenn sich der Mensch nicht mehr von Gott führen lassen will. Wenn er glaubt, genug zu wissen um sich von Gott lösen zu können. Vielleicht hinterlässt uns Jesus in der Bibel deshalb auch keine Formelsammlung, sondern spricht unsere wirklichen Probleme an, wenn er das folgende Gleichnis erzählt:

»Ein Mensch hatte zwei Söhne; und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Vater, gib mir den Teil des Vermögens, der mir zufällt! Und er teilte ihnen die Habe. Und nach nicht vielen Tagen brachte der jüngere Sohn alles zusammen und reiste weg in ein fernes Land, und dort vergeudete er sein Vermögen, indem er verschwenderisch lebte. Als er aber alles verzehrt hatte, kam eine gewaltige Hungersnot über jenes Land, und er selbst fing an, Mangel zu leiden.

Und er ging hin und hängte sich an einen der Bürger jenes Landes, der schickte ihn auf seine Äcker, Schweine zu hüten. Und er begehrte seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Schweine fraßen; und niemand gab ihm. Als er aber in sich ging, sprach er: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Überfluss an Brot, ich aber komme hier um vor Hunger. Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und will zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir, ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen! Mach mich wie einen deiner Tagelöhner! Und er machte sich auf und ging zu seinem Vater. Als er aber noch fern war, sah ihn sein Vater und wurde innerlich bewegt und lief hin und fiel ihm um seinen Hals und küsste ihn. Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir, ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen. Der Vater aber sprach zu seinen Sklaven: Bringt schnell das beste Gewand heraus und zieht es ihm an und tut einen Ring an seine Hand und Sandalen an seine Füße; und bringt das gemästete Kalb her und schlachtet es, und lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden, war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein. Sein älterer Sohn aber war auf dem Feld; und als er kam und sich dem Haus näherte, hörte er Musik und Reigen. Und er rief einen der Sklaven herbei und erkundigte sich, was das sei. Der aber sprach zu ihm:

Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiedererhalten hat. Er aber wurde zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber ging hinaus und redete ihm zu. Er aber antwortete und sprach zu dem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir, und niemals habe ich ein Gebot von dir übertreten; und mir hast du niemals ein Böckchen gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich gewesen wäre; da aber dieser dein Sohn gekommen ist, der deine Habe mit Huren durchgebracht hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet. Er aber sprach zu ihm: Kind, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, ist dein. Aber man musste fröhlich sein und sich freuen; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden und verloren und ist gefunden worden.«

Lukasevangelium, Kapitel 15, Verse 11 bis 32 nach der Übersetzung "Hoffnung für alle"


In der Neuoffenbarung wird dieses Gleichnis zwar auf den Satan bezogen, aber in der Bibel ist es Jesu Antwort auf die Frage, warum Jesus sich mit Sündern, also mit Menschen, die sich von Gott abgewandt haben, abgibt (vgl. Lk 15,2). Und so erzählt Jesus diese Geschichte eines Menschen, der sich von Gott abwendet:

Ein Mensch meint, Gott (seinen Vater) nicht zu brauchen. Er will es allein schaffen und unabhängig von dessen Autorität sein. Und Gott, statt Vorwürfe zu machen oder zu belehren, teilt das Erbe, was er gar nicht bräuchte, und lässt ihn ziehen. Und der Mensch, in Fehleinschätzung seiner ach so großen Fähigkeiten, bekommt immer mehr Schwierigkeiten. Schließlich sieht sich der Mensch Problemen gegenüber, denen er nicht mehr gewachsen ist. Und dort, ganz unten, erst als es nicht mehr weiter geht, fällt ihm auf einmal Gott wieder ein. Sein Gebet klingt wie ein Kuhhandel, alles in der Hoffnung, Gott lässt sich darauf ein. Alles die bekannten menschlichen Reaktionen. Trotzdem: Er sieht seinen Fehler ein. Und er will sich aufmachen zu seinem Vater.

Und Gott sieht ihn. Er sieht den Menschen, der noch weit entfernt ist von ihm. Wie reagiert Gott? Der Sohn hat sich schließlich abgewandt, hat Gott behandelt als wäre Gott tot, indem er sich zum Erben gemacht hat. Er hat sich selbst zu seinem eigenen Gott gemacht und scheiterte kläglich. Und jetzt kommt er mit diesem lächerlichen Vorschlag.

Gott könnte seinem Sohn mitteilen lassen, dass er kein Interesse mehr an ihm habe. Oder er könnte ihm erklären, wie die Welt da draußen funktioniert. Er könnte sich auch auf seinen Vorschlag einlassen und ihm auf zehntausend Seiten erklären, wie sich der Sohn als Tagelöhner demütigen muss tief unter seine Größe, Macht und Stärke und wie er sich tief unter seinesgleichen erniedrigen muss und wie er gefangen nehmen muss alle seine Begierden und ganz und gar brechen muss seinen Willen und untertan machen muss, alle seine Begehrungen und selbst die leisesten Wünsche seines Herzens (vgl. Kapitel Heilslehre). Nichts davon tut der Vater.

Er rennt seinem Kind entgegen. Er küsst seinen Sohn, obwohl der noch nach Schwein stinkt. Er geht auf die Litanei gar nicht ein, sondern kleidet ihn neu ein, kennzeichnet ihn mit einem Ring zum Erben (obwohl der sein Erbe schon verprasst hatte) und lässt vor lauter Freude ein opulentes Fest feiern.

Das ist die Frohe Botschaft von Jesus: Gott wartet nicht, bis wir heilig genug sind. Er kommt uns entgegen. Gott wird Mensch um uns zu begegnen. Er will dir begegnen. Und er kann und will dich retten.

Das sagte Jesus damals denen, die ihn fragten, warum er sich mit Sündern abgibt. Und er ging noch weiter auf sie ein. Er baute sie, die Fragenden und Verärgerten, mit in die Geschichte ein. Denn auch hier kommt nun der zweite Sohn zum Vater und fragt ihn, wieso er sich mit diesem Sünder einlässt. Jetzt – erst jetzt kommen die Vorwürfe, aber nicht vom Vater: „der deine Habe mit Huren durchgebracht hat“. Und so wie Jesus ihnen das Gleichnis erzählt, um sie an seiner Liebe zu diesen Menschen teilhaben zu lassen, so kommt der Vater auch seinem zweiten Kind entgegen und versucht ihm seine Liebe begreiflich zu machen: Das ist mein Kind und dein Bruder! Wir müssen uns doch freuen, dass er wieder da ist!

Manche nennen es das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Aber es ist das Gleichnis von der Liebe des Vaters. So bin ich, sagt Jesus. So ist Gott.

Du willst zurück zu Gott kommen? Du willst dich über Zeitalter hinweg und über viele Inkarnationen zu ihm emporarbeiten, empordienen, dich kasteien – wozu? Egal ob du nun dem ersten oder dem zweiten Sohn entsprichst:

Sieh mal nach, sagt Gott, ich stehe bereits vor deiner Tür und klopfe an. Du brauchst mich nur reinlassen (vgl. Off 3,20). Wir können den ganzen religiösen Krampf vergessen.

Es ist tragisch, dass der andere Sohn Gerechtigkeit und Strafe einfordert. Denn der Vater übernimmt selbst die volle Verantwortung für die Fehler seiner Kinder. Jesus sucht nicht nur die Menschen, er ist auch bereit für sie am Kreuz zu sterben. Das ist Liebe. Und wer so sehr geliebt wird, kann dieser Liebe vertrauen, auch ohne alles zu wissen. Das ist das echte Evangelium:

»Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richte, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.«

Johannesevangelium, Kapitel 3, Vers 16 und 17 nach der Einheitsübersetzung



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